Heute haben wir das erste Mal kein gemeinsames Programm gehabt. Stattdessen gab es für uns alle interessante Einblicke in unser jeweiliges Berufsfeld.
Denise besuchte heute den Arbeitsplatz ihrer nächsten Gastfamilie: Clinic 101.
Dr. Chou ist Allgemeinmediziner, in seiner Praxis arbeiten insgesamt 6 Personen.
Wie wir es aus deutschen Arztpraxen kennen, gibt es einen Empfang, an dem man bei jedem Besuch eine Art Anamnesebogen ausfüllen muss. Danach wird man auch hier in den Wartebereich gebeten und aufgerufen. Die Praxis umfasst 3 Praxisräume, die unterschiedlich ausgestattet sind (Ultraschall- und Blutdruckmessgeräte, HNO-Instrumente usw…)
Was hier fehlt, ist ein Labor, ein separater Raum für Blutuntersuchungen. Dennoch finden Blutabnahmen statt. Am heutigen Tag hat Dr. Chou einen Termin für eine Eigenbluttherapie gegen Arthritis. Eine portable Zentrifuge, um die Blutbestandteile aufzutrennen, wird daher eigens in die Praxis geliefert. Nach etwa 10 Minuten ist das Blut aufgetrennt, die Blutplättchen können in das Kniegelenk injiziert werden.
In einem anderen Raum der Praxis werden zudem Kosmetikbehandlungen angeboten. Entsprechend kann man hier auch Kosmetikartikel erwerben. Ruby, Dr. Chous Ehefrau, erzählt, dass sie besonderen Wert auf biologische Kosmetik legt, entsprechend ist die Ware ausschließlich natürlichen Ursprungs.
Völlig überraschend ist, dass in der Praxis eine Apotheke integriert ist. Der Arzt sendet dem Apotheker die Verordnung direkt zu, dieser bereitet die Medikation für den Patienten dann tagesgenau zu, in dem er pro Tag die Tabletten in Tütchen verschweißt. Ganze Packungen werden hier indes nicht herausgegeben.
Die Praxis ist montags – samstags geöffnet, am Sonntag besucht man den Notarzt oder – im Notfall – das Krankenhaus. Man kann Termine vereinbaren, was zu Vorsorgezwecken sinnvoll ist, oder im akuten Fall ohne Termin kommen.
Grundsätzliche Standardbehandlungen sind von der Krankenkasse abgedeckt; für Therapien, die darüber hinausgehen (z. B. die Eigenbluttherapie) müssen die Patienten jedoch selbst aufkommen.
Am heutigen Tag erscheint die Wartezeit kurz, den Eindruck bestätigt Dr. Chou, nicht ohne zu erwähnen, dass man beispielsweise bei einem Hautarztbesuch durchaus mit weitaus längeren Wartezeiten rechnen kann… Zu guter Letzt erzählt Dr. Chou, dass auch hier der Montag den am stärksten frequentierten Tag darstellt.
Alles in allem findet man am Ende also doch weit mehr Gemeinsamkeiten zu Deutschland als man vorab vermutet hätte… 😉
Eingangs-/ Wartebereich
Zentrifuge
Blutproben
Ricardas Vocational-Koordinator ist der Architekt Hom, einer von zwei Partner des Büros wooyo. Das Büro teilt sich in zwei Schwerpunkte: zum einen Kommunikationsdesign und zum anderen Architektur. Auch räumlich sind sie voneinander getrennt. Homs Architekturbüro liegt zwar zentral in der Nähe der ShihChien Universität in Zhongshan, jedoch versteckt es sich friedlich hinter hohen Mauern. Das Büro ist ein alleinstehendes, einstöckiges Gebäude und mit einer Glasfassade in Richtung eines kleinen Gartens ausgestattet. Neben fünf Mitarbeitern hat Hom einen Hund aufgenommen.
Ricarda und Hom hatten heute vier Stationen: Zuerst gingen sie in die Dihua Straße, wo sich der befreundete Architekt Chiahao Tse mit seinem Büro B+P Architects befindet. Im Januar diesen Jahres wurde eines seiner Projekte, die Reismühle in Taipeh, in dem deutschen Innenarchitekturmagazin AIT gezeigt. Als nächstes zeigte er ihr eines seiner eigenen innenarchitektonischen Projekte. Er gestaltete den Ort „walkingbook“. Im Erdgeschoss befindet sich ein Café, im ersten Obergeschoss ein Restaurant, im zweiten OG ein Co-Working-Space mit kleiner Bibliothek und darüber das Büro der Inhaber. Im besonderen war Ricarda von dem Co-Working-Space beeindruckt, hier konnte man sich einmieten und klettern, sich ins Schaufenster zum Lesen und Nachdenken setzen oder an langen Schreibtischen arbeiten. Anschließend besuchten sie die Universität ShihChien und trafen den Dekan der Architekturfakultät. Zum krönenden Abschluss ging es in Homs Büro mit einer Einführung in seine Gestaltungsphilosophie und der Vorstellung einiger seiner Projekte.
Es ist ca. 14:30 Uhr, als Christoph mit voller Begeisterung in einer Menge von Taiwanesen die Hände hochreißt und jubelt. Der Grund – in den letzten Stunden wurde gegessen, gesprochen und es wurden Spenden über eine Auktion eingeholt. Nun ist die Zeit für das abschließende Gruppenfoto und jeder reißt begeistert seine neu erworbenen Gegenstände hoch, vom Geschirr, über Mercedes Benz Utensilien bis hin zu Jonny Walker. Alle scheinen glücklich über das Erreichte und vor allem über die gemeinsam verbrachte Zeit zu sein. Das ist hier echt ansteckend und bringt Christoph, in vorderster Reihe sitzend, dazu, breit mitzulächeln.
Die Auktion selber wird von einem Marktschreier immer wieder angetrieben, hier wird gejubelt, geklatscht, gestaunt und vor allem geboten. Am meistens packt Christoph die positive Einstellung der Menschen. Schnell komme er ins Gespräch und hilft beim Präsentieren der angebotenen Produkte.
Christophs Tag besteht aber noch aus vielmehr: die Real Estate Association und die Fabulous Group stellen sich ihm vor – immer mit großem Engagement und großer Bereitschaft, seine Fragen zu beantworten. Man lacht, vergleicht taiwanesische mit deutschen Vorgehensweisen, blickt auf verschiedenste Bauprojekte und auf Austausch-Events in der Immobilienbranche. Ein verbindendes Element: es wird umgesetzt. Während wir über kulturelle Änderungen in der Projektarbeit diskutieren, Strukturen hinterfragen und den Rahmen für mehr Kommunikation im Team stecken, wird hier gebaut. Und zwar nach oben. Ein Gebäude nach dem anderen hüpft mit Leichtigkeit über die Hochhausgrenze. Die Bauzeiten sind gering, das Bauvolumen groß und die geschaffene Fläche riesig. Städtebaulich wird hier sicherlich ein anderer Ansatz verfolgt, man scheint aber zufrieden zu sein. Und so blickt Christoph am Ende seines Tages auf dem Dach eines Hochhauses auf die Stadt und lässt die vielen Eindrücke auf sich einwirken.
Für Lisa ging es heute zunächst zur Firma GT International, bei der auch ihr Vocational-Coordinator Leo arbeitet. Die Firma hat sich zu Zeiten der wirtschaflich angespannten Beziehungen zwischen Taiwan und China auf Exporte nach und Importe aus China spezialisiert und bedient diese Relation seit über 30 Jahren. Mehrfach wurde betont, dass die langjährige Erfahrung zwingend erforderlich sei, um ausreichende Beziehungen zu den Zollbeamten in Mainland China, wie die Volksrepublik hier bezeichnet wird, aufzubauen.
Anschließend ging es für Lisa zur Firma Kerry Logistics. Die in HongKong gegründete Firma ist in über 50 Ländern vertreten, der Schwerpunkt liegt aber im asiatischen Raum. In Taiwan bietet die Firma eine Vielzahl von logistischen Dienstleistungen an, angefangen von Cargo-Transporten über Paketzustellung bis hin zum Betreiben eines online-Shops für taiwanesische Bauern. Nach einer kurzen Firmenpräsentation ging es zu einer Art Depot im Industriegebiet in der Nähe des Flughafens. Von hier aus starten die Paketzusteller morgens früh ihre Tour. Nachmittags holen sie bei den vielen klein- und mittelständischen Unternehmen, die es in Taiwan gibt, Pakete ab und bringen diese ins Depot, wo die Pakete dann manuell sortiert werden. Nur sehr wenige größere Firmen haben so viele Pakete am Tag, dass diese direkt in ein Sortierzentrum eingeliefert werden.
Ein solches Sortierzentrum konnte Lisa im Anschluss ebenfalls besichtigen. Die Firma Kerry Logistics betreibt in Taiwan – das in etwa so groß ist wie Baden-Württemberg – vier solcher Zentren (im Vergleich: DHL hat in Deutschland insgesamt 34 Sortierzentren). Die Sortieranlagen schaffen bis zu 6.000 Paketen in der Stunde (die modernsten Sortieranlagen in Deutschland schaffen 50.000 Pakete). Da ein Großteil der Sendungen aber bereits in den Depots sortiert und nur noch in Gitterboxen umgeschlagen wird, brauchen die Sortiernanlagen aber auch nicht die Kapazitäten, die man aus Deutschland kennt.
Insgesamt war Lisa überrascht, dass es in dem sonst technologisch so weit fortgeschrittenen Land zumindest bei der Paketzustellung viele manuelle Prozesse gibt.
Das Depot. Ordnung muss sein 😉
Das Sortierzentrum mit der etwas veralteten Sortieranlage
Alles in allem hatten wir alle einen sehr spannenden ersten Vocational Day. Vielen Dank an dieser Stelle noch einmal an unsere taiwanesichen Vocational-Koordinatoren und an die Firmen, die uns so freundlich empfangen haben!
Für Peter war der Tag heute etwas ruhiger. Er verbrachte diesen mit Hipo, dem Vocational Day Coordinator aus dem GSE-Committee. Es ging in die Natur und anschließend versuchte er sich beim Mahjongg Spielen – mit Erfolg, wie man sieht. Abends hatte er die Möglichkeit, Hipos Familie kennenzulernen.